THE OTHER REPORT ON CHERNOBYL (TORCH)

AN INDEPENDENT SCIENTIFIC EVALUATION OF HEALTH AND ENVIRONMENTAL EFFECTS 20 YEARS
AFTER THE NUCLEAR DISASTER PROVIDING CRITICAL ANALYSIS OF A RECENT REPORT BY THE
INTERNATIONAL ATOMIC ENERGY AGENCY (IAEA) AND THE WORLD HEALTH ORGANISATION (WHO)


AUTHORS_ Ian Fairlie, PhD, UK. David Sumner, DPhil, UK
AFTERWORD_ Prof. Angelina Nyagu, Ukraine

 
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Vorwort von Rebecca Harms

There are two compelling reasons why this tragedy must not be forgotten. First, if we forget Chornobyl, we increase the risk of more such technological and environmental disasters in the future. Second, more than seven million of our fellow human beings do not have the luxury of forgetting. They are still suffering, every day, as a result of what happened 14 years ago. Indeed, the legacy of Chernobyl will be with us, and with our descendants, for generations to come."
Kofi Annann, UN Secretary General in April 2000

"We did not yet possess a system of imagination, analogies, words or experiences for the catastrophe of Chernobyl."
Svetlana Alexiyevich, Writer from Belarus

Im August 1986, vier Monate nach der Tschernobyl Katastrophe, erklärte Morris Rosen, Leiter der Abteilung für Nukleare Sicherheit der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO), die ihren Sitz in Wien hat, dass er, selbst wenn es jedes Jahr einen Unfall vom Ausmaß der Tschernobyl Katastrophe gäbe, die Atomenergie für eine interessante Technologie zur Energieerzeugung hielte.

Nach einer gigantischen Explosion und einem zehntägigen lodernden Feuer wurde eine Menge Radioaktivität in die Atmosphäre abgegeben, die dem Zweihundertfachen der freigesetzten Radioaktivität der beiden Bomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen entspricht. Diese verteilte sich über den gesamten Planeten. Nach diesen Ereignissen und der Evakuierung von mehr als hunderttausend Menschen hielt der Leiter der Abteilung für Nukleare Sicherheit der IAEO die alljährliche Wiederholung einer solchen Katastrophe für eine akzeptable Annahme. Dieser Mann war die mächtigste Person auf dem Gebiet nuklearer Sicherheit in der IAEO von 1981 bis 1996, inzwischen zum stellvertretenden Generaldirektor für nukleare Sicherheit aufgestiegen, als er von seinem Posten zurücktrat. Atemberaubend!

Rosens Äußerung wirft ein besonderes Licht auf die Selbstdarstellung der IAEO : die Organisation „entwickelt nukleare Sicherheitsstandards und, basierend auf diesen Standards, wirbt für das Erreichen und die Aufrechterhaltung hoher Sicherheitsstandards in Einrichtungen nuklearer Energieerzeugung sowie für den Schutz von Gesundheit und Umwelt gegen ionisierende Strahlung“. Beängstigend!

Als die IAEO im September 2005 zwei Berichte über die Umweltfolgen (von der IAEO koordiniert) und die Gesundheitsfolgen (von der Weltgesundheitsorganisation - WHO koordiniert) des Tschernobyl Unfalls veröffentlichte, waren viele Menschen misstrauisch, was deren Inhalt und Intention betrifft. Die IAEO ist nicht neutral! Ihre vornehmliche Aufgabe ist es - laut der eigenen homepage – „für die sichere, zuverlässige und friedliche Nutzung der Atomenergie zu werben“. Die Kooperation zwischen IAEO und der WHO ist kein Zufall. In einer Vereinbarung der beiden Organisationen von 1959 wird explizit festgelegt : „Immer wenn eine der Organisationen ein Programm oder eine Aktivität zu einem Thema vorschlägt, an dem die andere Organisation ein substantielles Interesse hat oder haben könnte, die erste Organisation die andere konsultiert, um die Sache in beiderseitigem Einverständnis anzupassen“. In der Tat, „die Sache anpassen“, die Worte scheinen gut gewählt.


Für den Schweizer Mediziner Michel Fernex sind die Folgen klar. Diese Vereinbarung erkläre, warum der Tschernobyl Aktionsplan der WHO, erst 5 Jahre nach der Katastrophe vorgestellt, von der IAEO entworfen wurde. Es erkläre ebenfalls, „warum die Ergebnisse der WHO Tschernobyl Konferenz (Genf, 1995) nie veröffentlicht wurden und warum der UN Bericht zu Tschernobyll noch immer, entgegen aller Beweise, davon ausgeht, dass die Katastrophe 32 Tote, 200 Fälle von Verstrahlungen und 2.000 Fälle von Schilddrüsenkrebs (ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen) zur Folge gehabt habe. Dies sind die Zahlen der IAEO und UNSCEAR, nicht die der WHO und OCHA.”

Am 5. September 2005 wurde in einer Pressemitteilung der IAEO mit dem Titel: "Tschernobyl: Das wahre Ausmaß des Unfalls" erklärt: „Insgesamt könnten bis zu 4.000 Menschen als Folge der Strahlungsbelastung durch den Tschernobyl Reaktorunfall vor 20 Jahren sterben, hat ein Team von über 100 Wissenschaftlern herausgefunden.“

Dieses Statement der IAEO wurde in den internationalen Medien weit verbreitet und löste einen Aufschrei unter unabhängigen Experten und Umweltorganisationen aus, die diese Darstellung für eine skandalöse Untertreibung des wahren Ausmaßes der Katastrophe hielten. Trotzdem fehlte eine wissenschaftliche Kritik an den vorgelegten Zahlen.

Ich habe mich dann entschlossen eine unabhängige Analyse des IAEO/WHO Berichts in Auftrag zu geben, um die wissenschaftliche Basis dieser Annahmen zu klären. Sie halten nun das Ergebnis dieser Studie in den Händen: Der andere Bericht zu Tschernobyl (The Other Report on CHernobyl / TORCH), von Ian Fairlie und David Sumner. In ihren Schlussfolgerungen wird deutlich, dass die IAEO eine irreführende Erklärung über die Ergebnisse der WHO zu den Gesundheitsfolgen abgegeben hat. Diese gingen von nahezu 9.000 zusätzlichen Krebstoten aus - nicht von 4.000. Andere Schätzungen gehen sogar von 30.000 bis 60.000 Todesfällen durch Krebs allein aus, die meisten davon außerhalb der am meisten betroffenen Länder Ukraine, Weißrussland und Russland. Der TORCH-Bericht zeigt sogar, dass mehr Radioaktivität aus dem Reaktor ausgetreten ist als zunächst angenommen und dass mehr als die Hälfte des radioaktivem Niederschlags in Europa außerhalb der ehemaligen Sowjetunion nieder ging.

Das ausgezeichnete Nachwort renommierten Ukrainischen Expertin Prof. Angelina Nyagu, Präsidentin des Kiewer Verbands "Ärzte von Tschernobyl", spricht einige zusätzliche Themen an, die nicht im Fokus des Berichts standen, das Ausmaß der fortwährenden Tragödie jedoch verdeutlichen. Ukrainische Experten schätzen beispielsweise, dass der ökonomische Schaden allein bis 2015 für die Ukraine 200 Milliarden US Dollar betragen wird. Zum Vergleich: Das Brutto-Sozialprodukt 2001 der Ukraine betrug 37 Milliarden Euro. 1992 verwendete die Ukraine 15% des Staatshaushalts, um mit die Folgen von Tschernobyl zu bekämpfen. Während die Ausgaben in den letzten Jahren auf 5% des Staatsbudgets gesunken sind, bleiben viele Probleme ungelöst. Darunter sind einige von hoher Dringlichkeit. So leben heute beispielsweise noch fast 10.000 Menschen in hochkontaminierten Zonen, deren Evakuierung bindend angeordnet wurde.

Der vorliegende Bericht kann die 20 Jahre systematischern Herunterspielens, Geheimhaltung und Desinformation zu den Folgen der Tschernobyl Katastrophe nicht kompensieren, doch er leistet einen wichtigen Beitrag, um zu verdeutlichen, was auf dem Spiel steht, wenn uns die Atomindustrie und ihre Unterstützer sowie einige führende Politiker zu einer weiteren Runde des atomaren Wahnsinns überreden wollen. Es ist verblüffend, in welchem Ausmaß der Energiesektor, in Ost und West, von Perestroika und Glasnost “verschont“ wurde. Es liegt in der Verantwortung der Politiker, die Debatte um die weiterhin bestehenden Folgen auch nach dem Gedenken zum 20. Jahrestag zu führen und einen wirklich demokratischen Entscheidungsprozess zu garantieren, der die Erfahrungen der Vergangenheit mit einbezieht, um eine nachhaltige Energieversorgung der Zukunft für alle zu entwerfen.

Die Folgen der Tschernobylkatastrophe sind noch längst nicht behoben - nicht einmal im technischen Bereich. Der katastrophale Zustand des gesamten Reaktorstandortes stellt ein zusätzliches Risiko dar - besonders in Hinsicht auf das ungelöste Problem der Entsorgung der Brennelemente und des Atommülls der anderen drei Tschernobyl-Reaktoren unter schwierigsten radiologischen Bedingungen. Atommüll und Strahlungsbelastungen in vielen Orten auf der ganzen Welt, oftmals vor mehreren Jahrzehnten verursacht, warten noch auf eine Lösung. Niemand kann garantieren, dass ein weiterer Unfall mit dem Ausmaß von Tschernobyl - oder noch gravierender - morgen nicht wieder passieren kann. In den meisten Ländern will die große Mehrheit der Bevölkerung keine weiteren Atomkraftwerke. Es wird Zeit, dass Industrie, Wirtschaft und Politiker zuhören.

Nie wieder Tschernobyl !

 

 

 

Berlin, Brüssel, London, Kiew 06.04.2006

COMMISSIONED BY_
Rebecca Harms, MEP, Greens/EFA in the European Parliament
WITH THE SUPPORT OF_ The Altner Combecher Foundation